5 Jahre später

Tobias wird jetzt schon 6 Jahre alt und es ist schon eine ganze Menge auf uns zu und an uns vorbei gekommen! Es ist schwierig, das kurz zu beschreiben. Als Tobias mit zwei Jahren und 10 Monaten lief, waren wir überglücklich. 

Tobias

Inzwischen hopst er herum und wenn man nicht aufpasst, ist er schneller weg gehopst, als man gucken kann. Er isst alleine, wenn man ihm das Essen vorher schneidet, schüttet sich auch schon mal selbständig Saft aus dem Krug in das Glas, egal, wie viel wirklich rein passt, Hauptsache der Krug ist leer, auch den Herd muss man immer mal im Auge behalten.

Inzwischen hat Tobias kein Gitterbett mehr, sondern sein eigenes großes Bett, in dem er tatsächlich mehr oder weniger liegen bleibt. Er spricht mittlerweile auch in Drei- bis Fünfwortsätzen und kann klar machen, was er möchte oder eben nicht. Meistens ist das „Thomas gucken“. Er liebt diese kleine blaue Holzeisenbahn, Bücher und Filme natürlich auch.

Glücklicherweise ist Tobias kerngesund, hat schon viel gelernt und wir haben eine Menge Spaß. Immer war das jedoch nicht so. Es war ein anstrengender Weg bis dahin. Schon mit einem Jahr, eigentlich schon viel früher, wurde in den Therapien irgendwie sichtbar, dass er nicht so richtig mitmacht. Anfangs schiebt man es auf die Behinderung, man weiß es einfach nicht besser.

Tobias

Nichtsdestotrotz habe ich bereits früh angefangen, mich zu informieren, fand aber niemanden, um das Gelesene zu besprechen. Überall war ich die übermotivierte Mutti, die zu viel wollte, nicht akzeptieren konnte, dass ihr Kind behindert ist. Total nett war der Satz in einem Bericht ans Amt: „Die Mutter wirkt sehr bemüht.“ Ich war wirklich so richtig hocherfreut. Irgendwann wurde mir dann klar, dass Tobias über das Normalmaß an Bockigkeit hinaus geschossen war. Aber auch dazu hörte ich bzw. höre ich auch noch heute, dass jedes Kind seine Bockphasen hätte. Bei Tobias haben sie nur leider nicht aufgehört.

Hilfe nahte dann über die Down-Syndrom-Ambulanz (Seminarorganisation heute über Impuls 21) in Velbert. Dort stieß ich auf Sabine Berndt, eine Verhaltenstherapeutin, damals noch aus Hamburg. Sie war unsere Rettung und die Erste, die mich mit meinen Nöten ernst genommen hat. Tobias war nicht bockig. Er steckte bereits mit 2 Jahren in einer, ich muss es leider sagen, von allen anerzogenen Arbeitsverweigerung und benutzte seine Hände nicht. Pfiffig wie er ist, hat er schnell gelernt, dass er mit seinem schlechten Verhalten ganz viel Aufmerksamkeit bekommt. Ich versuchte dann, das bei Sabine Berndt Gelernte umzusetzen, aber es zogen nicht alle an einem Strang, sodass ich irgendwann aufgab.

Tobias

Der Bock wurde dann so schlimm, dass er ein ganzes Therapie-Rezept nur schreiend und nichtstuend absolvierte. Ich saß daneben und war am Ende. Auch bei der Diagnostik kam nichts Gutes heraus, außer dass Tobias mit 3,5 Jahren auf dem Weg war, austherapiert zu sein. Hilfe Fehlanzeige. Es war niederschmetternd. Da ich das auf keinen Fall akzeptieren konnte, habe ich, natürlich mit Unterstützung von meinem Mann, nochmal von Vorne angefangen. Diesmal saßen alle, von Kindergarten bis Therapeuten, mit im Boot und seit einem Jahr ist Tobias wie ausgewechselt. Der Bock ist zwar noch da, aber er hat sehr viel Spaß am Lernen, macht in den Therapien gut mit und kommt endlich voran.

Zuhause arbeiten wir nach mit IntraAct (Lesen) und Yes, we can (Rechnen). Ich bin froh, dass ich „einfach“ meinen Weg weitergegangen bin und an mein Kind geglaubt habe. Klar ist aber auch, dass dieser Weg noch nicht zu Ende ist. Das Sprachverständnis ist auf dem Niveau eines 2jährigen stehengeblieben, zumindest laut dem völlig sinnlosen nonverbalen Intelligenztest vom Sommer diesen Jahres. Und wieder: Hilfestellung Fehlanzeige. Fragen Sie den Logopäden. Ja, danke auch!

Tobias

Da Sprache und Hände (die er ja jahrelang nicht richtig benutzt hat) zusammenhängen, wird die Wahrnehmung der Hände unsere nächste Hausaufgabe sein. Dafür gibt es zum Beispiel einen wunderschönen Fingermassagering, der garantiert viel Spaß und Lachen bringt. Warum dann allerdings laut Kinderarzt keine Ergotherapie nötig sein soll, entzieht sich meinem Verständnis. Wir machen auf jeden Fall weiter und immer schön das, was mein Bauchgefühl, gesunder Menschenverstand und Mutterinstinkt mir sagt…

Zum Abschluss muss ich das noch sagen:

Mich erschüttert immer wieder, wie wenig unseren Kindern zu getraut wird. Es herrscht, gerade hier in Sachsen, noch so viel Unwissenheit. Wenn die Kinder nicht lesen, schreiben und rechnen können, ist das leider normal und viele bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück. Ich freue mich aber, dass es dieses und letztes Jahr geklappt hat, zwei meiner Lieblingsreferentinnen in den Verein zu holen und die Dritte im Bunde steht schon in den Startlöchern… So können wir erst einmal im Kleinen versuchen, unseren Kindern zuliebe die sächsische Down-Syndrom-Welt ein bisschen zu verbessern.

Wer weiß, was daraus noch wird?!

Gebt unseren Kindern die Chancen, die sie verdient haben!